Who will die first?
DER KAMPF UM DIE VORMACHTSTELLUNG IM TOURISMUS HAT GERADE ERST BEGONNEN.
Touristische Vertriebe verlieren an Profitabilität im immer enger werdenden Wettbewerb. Ihre vermeintlichen Partner auf der Veranstalterseite spüren einen ähnlich eisigen Wind durch ihre einst so prächtigen Margen wehen. Naheliegend und opportun ist also der Gedanke, Wertschöpfungsketten vertikal weiter zu erobern, Mittelmänner auszuschalten und Margenpotenziale zu konsolidieren.
Aber wem wird das als erstes gelingen und wer wird deshalb als erstes sterben?
Das Hasenrennen ist längst eröffnet, wenngleich die Marktteilnehmer sich nach wie vor in Contenance üben und gute Mine zum bösen Spiel machen. Vertreter von Reisebüroketten und deren Verbände wettern regelmäßig gegen die Veranstalter und fordern mehr Unterstützung, mehr Marge und mehr Wertschätzung für Ihre Schützlinge im Handelsvertreterstatus. Wer in solch ein Horn bläst, kann sich sicher sein, gern gesehener Gast in Reisevertrieb-Facebook-Gruppen zu sein und sich ins rechte Licht gerückt zu haben.
Betriebswirtschaftlich hat das zwar wenig nachhaltige Substanz, aber das Volk marschiert nun mal gern mit jemanden, der blühende Landschaften verspricht, statt dunkle Wolken prophezeit.
In den Hinterzimmern des touristischen Quellmarktvertriebs herrscht jedoch geschäftiges Treiben. Denn während eifrige Leistungsträger aus den Destinationen mittlerweile auch erkannt haben, dass Wertschöpfungsketten mit weniger Teilnehmern effizienter sind, sich aber noch nicht den endgültigen Schritt in die reine Eigenvermarktung zutrauen – stoßen deren vertriebliche Schmeicheleien auf Nährboden bei Vertriebsorganisationen, die sich dem Gespenst der oft gestressten Veranstalterhaftung mutig stellen. Das Risiko scheint vielleicht doch überschaubar und die Versicherungsprämien für kleinere und mittlere Veranstalter rechenbar, statt wie oft kolportiert unbezahlbar. Man richtet seinen Blick also neu aus und rechnet emsig wie es wäre, wenn man als Vertrieb sein eigener Veranstalter wäre. Das ist nicht neu – aber bis jetzt tat es nicht Not, die Partnerschaft zwischen Veranstaltern und Vertrieben in Frage zu stellen. Wenn die Branche sich aber in der Wettbewerbsspirale immer schneller selbst demontiert, wird Kannibalismus in ehemaligen Wertschöpfungsgemeinschaften zur strategischen Option? Schließlich geht es um die Verlängerung des Unvermeidbaren.
Gleichzeitig zu dieser Entwicklung diskutiert man(n) in den Vorstandszimmern der Reiseveranstalter, wie man angestammten Vertriebspartnern in Reisebüros und mobilem Vertrieb nicht gänzlich die Freundschaft kündigt, während man zeitgleich die eigenen Direktvermarktungskanäle ausbauen müsste. Schließlich drückt auch hier die Sorge aufs Margen-Gemüt. Zwar braucht man auch den Drittvertrieb, aber etliche Ehen mit dem klassischen Quellmarktvertrieb kriseln heftig wie nach ausufernden Betriebsfesten.
Provisionen für Handelsvertreter sind betriebswirtschaftlich gesehen doppelt bezahlte Marketing & Vertriebs Aufwendungen im wettbewerbsintensiven Umfeld. Und wenn man schon den Zoll in der Ökonomie der Aufmerksamkeit zahlen muss, dann bitte nicht dazu auch noch das restliche Quäntchen Marge in Services für eine längst überalternde Zielgruppe investieren. Shareholder hören da lieber die Schalmei vom Investment in die Zukunft einer schönen neuen Welt, in der dynamisches Paketieren automatisiert und Buchungen online vom Kunden direkt getätigt werden. Rückfragen? Wozu? Wer für kleines Geld die Füße im Meer und die Kehle mit Cocktails kühlen will, bekommt diese Leistung eben „no frills“ und aufs wesentliche fokussiert. Flixtrain, Ryanair und Co lassen grüßen. Und mit Menge lässt sich nach wie vor Marge machen – Hauptsache man muss nicht teilen. Schließlich hört beim Geld die Freundschaft auf.
Fazit:
Legt man die Geschäftsmodelle von Leistungsträgern, Veranstaltern und Quellmarktvertrieben auf eine vereinfachte Wertschöpfungskette und analysiert gegenwärtige Marktaktivitäten der jeweiligen Unternehmen, fällt auf, dass die Unternehmen versuchen, sich vorwärts oder rückwärts zu integrieren. Was nach bestem Beraterdeutsch klingt, bedeutet in einfachen Worten: Veranstalter wollen selbst vertreiben – möglichst digital und skalierbar - und ohne große Affiliateprovisionen, während Vertriebs- und Distributionsstrukturen anfangen selbst Reisen zu paketieren und damit zum Veranstalter zu werden. Und wäre dieses Spannungsfeld nicht schon geladen genug, fangen die großen Leistungsträger an eigene Vertriebe zu bauen und/oder als Collaborateure eigene Packages zu schnüren.
Besonders spannend sind übrigens jene Player, die sich nicht nur vertikal in der Wertschöpfungskette weiterentwickeln, sondern gleichzeitig auch horizontal agieren. Die Solamento Gruppe aus Essen hat nicht nur ihren Vertrieb um einen eigenen Veranstalter erweitert, sondern bietet mit Solasolution touristisches Marketing-, Post Booking Service- und Vertriebs-Know How nun auch Leistungsträgern aus den Destinationen wie auch Veranstaltern an.
Solch eine horizontale wie auch vertikale Bewegung können sich allerdings nur Unternehmen leisten, die durchdacht gewirtschaftet, schlaue Investoren gewonnen und somit die finanziellen Möglichkeiten dazu haben. Sie schaffen damit skalierbares Wachstum mit überschaubarem Risiko. Schließlich sind die Marktmechanismen und Wertschöpfungsbausteine hinlänglich bekannt, und der Proof of Concept längst geliefert. Dieser Ausblick wiederum zieht Growth Capital Investoren an, die bislang touristische Wertschöpfungsketten gar nicht auf ihrem Radar hatten. Etablierte vertical Scaleups werden neben den New Entry Start-Ups zu den Gewinnern im Geschäft mit dem Tourismus gehören. Neben den wenigen Kriegern, die das bereits begonnene und Kräfte zerrende Hasenrennen am Ende als einer der wenigen überlebt haben..
Es bleibt die Frage, welche Player es schaffen werden, operativ profitabel zu wirtschaften und zeitgleich eine Position in einem Umfeld einzunehmen, in dem der Wettbewerb zumindest überschaubar ist? In unserem Podcast „Klug & Klüger“ blicken wir deshalb in Episode 1 einmal genauer auf betriebliche Strukturen hinter den aktuellen Marktteilnehmern und ihre Innovationsfähigkeit. Schließlich geht es ums Überleben. Nicht mehr – aber eben auch nicht weniger.
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Damit der Erfolg von gestern den Grundstein für den Erfolg von Morgen legt – und nicht einfach nur bis zum bitteren – und manchmal schnellen Ende - abeschöpft wird.